Türkische Jungfrau


Die Briten gelten als Sexmuffel, die Italiener als Angeber, die Franzosen als frivol und die Deutschen als solide: "Vati" und "Mutti" sind hierzulande die Umschreibungen für ein Paar im Rausch der Sinne.

Wie aber spielt sich Sexualität am Bosporus ab ?

Wo das Klima härter ist, die Gewürze schärfer und Männer und Frauen beim Flanieren hintereinander statt nebeneinander gehen ? Erstaunlicher weise ist über das Intimleben der Türken wenig bekannt bis auf den traditionellen Kinderreichtum der Türkischen Mitbürger in deutschen Großstädten zur Sommerzeit.

Seit kurzem wissen wir mehr:

Die türkische Familienministerin Isilay Saygin hatte gegenüber einer Zeitung gestanden, daß sie "aus Zeitmangel" noch nie Sex hatte. Darüber machte sich dann ein Komiker in einem privaten TV-Sender lustig, worauf die Station für einen Tag den Betrieb einstellen mußte, weil sie "beleidigende und niederträchtige" Äußerungen über die Ministerin verbreitet hatte.

Nun kann eine Wahrheit bitter, unangenehm und deprimierend sein, aber beleidigend ?

Die Wahrheit ist:

Eine Familienministerin, die noch nie Sex hatte, ist für ihr Amt hoch qualifiziert. Denn Sex und Familie sind nun einmal inkompatible Größen. Wie Diät und Völlerei, Wachen oder Schlafen. Wer eine Familie ernähren muß, hat für Sex kaum Zeit. Vielleicht auch keine Lust. So ist das Leben, einen dritten Weg gibt es nicht, auch nicht am Bosporus, wo Ministerinnen sogar im politischen Amt ihre Unschuld behalten.

aus dem SPIEGEL 1998